Der katholische Faktor
in der zeitgenössischen Kunst aus Polen und Deutschland
4. 4. bis 17. 5. 2009
Städtische Galerie „Leerer Beutel“, Bertoldstr. 9, 93047 Regensburg
Historisches Museum, Minoritenkirche, Dachauplatz 2 - 4, 93047 Regensburg
Kuratoren Maciek Czapski / Christian Schnurer
Eine Ausstellung des Berufsverbands Bildender Künstler Niederbayern/Oberpfalz e.V.
mit Grupa Azorro, Anna Baumgart, Rafał Bujnowski, Joanna Czapska, Józef Czapski, Maciej Czapski, Marta Deskur, Katarzyna Górna, Zuzanna Janin, Tadeusz Kantor, Leszek Knaflewski, Michał Kosakowski, Tomasz Kozak, Łódz Kaliska, Grzegorz Klaman, Ryszard Ługowski, Agata Michowska, Magda Moskwa, Dorota Nieznalska, Anna Orlikowska, Jarek Perszko, Jan Pieniążek, Lehner/Piotrowski, Konrad Pustoła, Grupa Tworzywo, Piotr Wysocki, Wojtek Zasadni, Artur Żmijewski, Wigg Bäuml, Joseph Beuys, Benjamin Bergmann, Günter Brus, Almuth Determeyer, Hansjörg Dobliar, Beate Engl, Martin Fengl, Verena Frensch, Tom Früchtl, Wolfgang Grimm, Ioan Grosu, Max Gumpp, Ulrich Hakel, Jonas Hafner, Alexandra Hendrikoff, Lorena Herrera Raschid, Andreas Hofer, Endy Hupperich, Notburga Karl, Harald Klinger, Isabelle Kurz, Herrmann Nitsch, Dieter Rehm, Bertold Reiß, Martin Scherm, Julia Schimtenings, Martin Schmidt, Christian Schnurer, Simon Schubert, Marco Schuler, Markus Selg, Thomas Splett, Gisberth Stach, Lorenz Straßl, Murena/Tanqueray Tamiko Thiel, Anthony Werner, Stefan Wischnewski, Martin Wörl
Tadeusz Kantor
Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher, reich bebildeter Katalog in deutscher, polnischer und englischer Sprache
Format 115 x 165 mm, 192 Seiten, Hardcover, ISBN: 978-3-940953-11-7
Snoeck Verlagsgesellschaft mbH, Köln, Werderstr. 2, 50674 Köln
Katalogdetails, Catalogdetails, Teil 1, Part 1 I Teil 2, Part 2
von Friedhelm Mennekes
Konnotationen, mehr nicht. Die Kunst im sakralen Raum.
Erfahrungen eines Melancholikers
In einer gewissen Regelmäßigkeit kehren sie wieder: die Geistlichen in der Kunst.
In der Nachkriegszeit machten die Dominikaner im französischen Südwesten den Anfang. Es waren vor allem die Patres Couturier und Regamey. Ihnen gelang ein realer Brückenschlag zwischen der Kirche und den Künstlern ihrer Zeit, zu Matisse, Bazaine, Leger und anderen, und zu Le Corbusier als Architekten. Die Ergebnisse konnten sich sehen lassen, in Ronchamp, Audincourt, Vence, Assy, La Tourette.
Ein zweiter Impuls ging später von Wien aus. Hier war es der Domprediger an St. Stephan, Monsignore Otto Mauer. Er hatte früh lebendige Begegnungen in dem damals offenen wie abgeschlossenen Wien arrangiert, mit Arnulf Rainer zum Beispiel. Hier brachte Mauer den Mut zu einer Galerie auf, um auf diese Weise einen unabhängigen Ort für eine dauerhafte und kreative Beziehung zu gründen: die Galerie St. Stephan, später gegen die Hierarchie trotzig in Galerie Nächst St. Stephan umbenannt.
Von beiden Initiativen gingen international wichtige Impulse für Kirche und Kunst aus: die freien Aufträge für die Gestaltung von sakralen Räumen und eine Verkaufsgalerie in engagiert geistlicher Hand. Diese Arbeiten schlugen sich breit publizistisch nieder, in Artikeln, Studien und Monographien. Aber irgendwann waren sie zu Ende. Doch die Kunde davon stand irgendwie Pate bei dem Entschluss, einige Jahre später, es war Anfang 1979, erst in der Kirche einer Frankfurter Arbeitervorstadt, dann ab 1987 in der Kölner Jesuitenkirche regelmäßig Ausstellungen auszurichten. Die Initiative war von dem kritischen Theorem eines zerbrochenen Verhältnisses zwischen der modernen Kunst und der Kirche unserer Zeit ausgegangen. Doch ging es nicht um ohnmächtiges Beklagen noch um die schwarze Lust des Sisyphus, sondern um ein nüchternes Resümee aus der Sozialphilosophie. Die Kultur hatte sich differenziert. Autonome Teilbereiche stehen nebeneinander: Recht, Kunst, Religion, Wissenschaft … Darum waren auch die alten Zeiten einer christlichen Ikonographie ein für alle Mal vorbei. Was aber fehlte, war die Tugend der Kommunikation untereinander, der kleine Grenzverkehr, damit man sich wie bei Geschiedenen nach der Trennung nicht aus Auge und Sinn verlor. Das Ziel: wenigstens an einer Stelle einen Ort für eine dauerhaft offene Auseinandersetzung einrichten, der beidem Rechnung trug: dem künstlerischen Interesse am sakralen Raum und dem kirchlichen an einer präziseren Einstellung zum modernen Bild dienen.
Die Initiative stand schnell im Aufwind. Nicht mehr Illustration oder Repräsentation war gefragt, sondern voraussetzungslose Begegnung in Ausstellungen moderner Kunst im sakralen Raum. Die Kunst war durch ihre eigene Geschichte gelockt, Skepsis und Zweifel schnell gebrochen. Kunsthistoriker traten dem Geistlichen zur Seite, Galeristen, Sammler, Publizisten … und vor allem Künstler: Joseph Albers, Emil Schumacher, Joseph Beuys, Arnulf Rainer… machten den Anfang.
Mit der Verlegung des Experiments nach Köln mutierte die kleine Innenstadtkirche zur Kunst-Station Sankt Peter. Der Ortswechsel geriet zum breiten Durchbruch. Zur Gemeinde gehörte einst immerhin das Stammhaus des Everhard IV. Jabach, Kriegsfinanzier französischer Regenten, letztes Exil der ungeliebten Maria von Medici. Hier wohnte auch einst der junge Rubens, dessen Vater in der Kirche sein Grab hat und dessen Kreuzigung Petri (1638-40) mit Macht sein Andenken wahrt. Die Gemeinde lebt Woche für Woche mit rund 1000 Menschen in den Messen und mit vielen ausgestellten Bildern und Kunstfreunden, die seit mehr als zwanzig Jahren hier auf eigene Weise ihre Einkehr halten: Francis Bacons Triptych ’71, Anish Kapoors erste Spiegel, Jenny Holzers War -Installation oder Rosemarie Trockels Ich habe Angst als Triptychen über dem Hochaltar; James Lee Byars’ White Mass, Jannis Kounellis’ Öltonnenkreuz und Barbara Krugers ernste Worte gegen den Irakkrieg unter den Füßen der Gemeinde; Christian Boltanskis Tänzerinnen in den Fenstern und viel Heu auf der Empore, Gaston Chaissacs traurige Clowns, Cindy Shermans History Portraits, Antonio Sauras Schächer, Francesco Clementes Kirchengrundrisse und nicht zuletzt Chillidas Altar - später verbannt, dann gnädig geduldet. Es waren viele Künstler im Laufe der Jahre, ununterbrochen gezeigt. Die Kirche entwickelte sich zum Raum für Kunst, zur Kunst-Station, zum Testort für die spirituellen Konnotationen vor Ort im Werk - und blieb dennoch immer, was sie war: ein Ort des Glaubens und des nachdenklichen Lebens. Was hat es sonst gebracht?
Spirituelle Konnotationen - so viel, so wenig, jedenfalls mehr nicht. Was die Kunst begriff, schmähte oft die fromme Skepsis. Wovon letztere träumten, wollten andere nicht realisieren. Hier setzt die Geschichte der konstanten Enttäuschung in der Kirche ein. Immer noch hängt sie an den alten Thesen: die Präsenz des Heiligen im Bild, die Ikone als Fenster des Himmels, als Kreuzen der Blicke… wie auch immer die Bilderwünsche im Dienst des Glaubens heißen mögen. Als hätten die Trennungen zwischen Rom und Byzanz nicht stattgefunden, der christliche Westen sich nicht als Ort einer ecclesia semper reformanda erwiesen. Falsche Kompromisse suchten auf kirchlicher Seite die Entwicklung aufzuhalten. Christliche Kunst hieß ihr antimodernistischer Protest, mit einem hohen Preis: ‚Kunst’ ohne Kunst. Ausstattung als gegängelte Didaktik hatte sie im Sinn, und dies in einer Religion, die Mystik und Leere leider ebenso zu fliehen schien, wie andere das Weihwasser. Nein, die Kirche hat bis heute ihren Ort in der Kunst und vor dem Bild nicht gefunden. Da helfen auch keine Ausstellungen, selbst wenn auf ihnen das Wohlwollen des Kölner Erzbischofs ruht, der mit mächtigem Mut sein altes Diözesanmuseum mit viel neuer Kunst versorgte und in Kolumba 2007 ein bahnbrechendes Institut gründete, das auf eigene Weise Alt und Neu in der Kunst zusammenführt.
Spirituelle Konnotationen - das sind vor allem Fragen, die als Fragen die Intuitionen einer Antwort berühren, aber als offene, vielfältige Alternativen zur Frage. Diese Position rührt aus der Unsicherheit des Bildes, das dieses mit sich selber hat, und aus seiner Distanz zum Wort. Die Kunst hat ihre Scheu vor der eindeutigen Formulierung, spricht lieber von Ausdruck und Stärke. Sie liebt die Assoziationen, Allusionen, Evokationen ... Hier macht sie allen, die sich ihr nähern, Arbeit und Mühe. Seit sich die Kunst von aller Botschaft frei gemacht hat, kann ihr spiritueller Sinn nicht mehr objektiv im Werk stecken, sondern allenfalls im subjektiven Diskurs. Und hier liegen viele Chancen, nicht nur für den Kunstliebhaber.
Spirituelle Konnotationen - als Erweiterung des Begreifens und des Erkennens. Die Kunst geht nicht auf im Raisonnieren, weicht ihm aber auch nicht aus. Größer als alles Diskursive bleiben die Brillanz in der Form, die Sinnlichkeit in der Erscheinung und der Reichtum in ihren Perspektiven. Sie reichen bleibend über alle Wortfixierung hinaus. Die Kunst ist daher unerschöpflich und aller Hingabe wert. Sie ist wie „ein Meer ohne Ufer“, um es mit dem andalusischen Naturmystiker Ibn al’Arabi (1165-1240) zu sagen, „und der fragende Blick darauf hat keinen Anfang, kein Ende, weder in dieser noch in der nächsten Welt“.
Connotations. Nothing More and Nothing Less. Art in Sacred Places.
The Experiences of a melancholic.
With a certain amount ofregularity they keep on returning to the world of art, our clerics do.
The Dominicans were the ones who started in the postwar years in Southwestern France. First and foremost the Patres Couturier and Regamey. They succeeded in building a solid bridge between the Church and the artists of the time such as Matisse, Bazaine, Leger etc. including the architect Le Corbusier. The results were well worth seeing in Ronchamp, Audincourt, Vence, Aussy, La Tourette.
Later a second wave was to come out of Vienna. Here , lively meetings were arranged by the Domprediger from St. Stephan`s Cathedral Monsignore Otto Mauer, in a Vienna both open and closed to new ideas. For example, with the artist Arnulf Rainer. Mauer was daring enough to open a gallery, creating an independent space for a continuous creative dialogue, known as the Galerie St. Stephan, later to be renamed - in defiance of hierarchy - Galerie Nächst St. Stephan. (Gallery Next to St. Stephan!)
Important international impulses for both the Church and art came from two initiatives: independent commissions to create art for sacred places and a commercial gallery run by a committed clergyman. At the time, it was broadly acknowledged by journalists in articles, studies and monographs. Only for it to peter out some time later. But somehow a new juxtaposition had been fostered and some years later a decision was made to hold regular exhibitions, at first in a church in Frankfurt’s working suburbs at the beginning of 1979 and then from 1987 onwards in a Jesuit church in Cologne. The initiative took its cue from the theorem that the relationship between Church and art had ceased to exist. It was not a lament sired by a feeling of hopelessness nor the dark desire of Sisyphus, but rather a matter -of -fact socio/philosophic resumee. Culture had become differentiated. Autonomous domains, law, art, religion, science, were suddenly neighbours. Hence the need for Christian iconography as it had been, was over, once and for all. But there was still a lack of intercommunication – border traffic so to speak. Making sure that the one didn’t lose sight of the other. Like divorcees after their separation. The aim was to create a location for a continuous dialogue in one place, acceptable to both parties. It was to simultaneously uphold art’s interest in sacred spaces and the Church’s interest in a more precise approach to contemporary imaging.
The initiative gained speed fast. Illustration and representation were not required now.But what was, was the unconditional interplay of contemporary art within a sacred space. Art was lured in to it by its own history. Doubt and scepticism quickly thrown overboard. Art historians came to the aid of curates, gallerists, collectors, publicists and above all the artists: Joseph Albers, Emil Schuhmacher, Joseph Beuys, Arnulf Rainer. Moving the experiment to Cologne transformed a small inner-city church into the „Art Station St. Peter“. The change of location was the breakthrough. For all that, the Parish could also boast the family seat of Everhard IV Jabach. War financier of French Regents. It had also been the final place of exile of unloved Maria de Medici. Young Rubens also lived here for a time. His father’s grave is in the church where his „Crucifixion of Peter“ (1638-40) majestically honours the paternal memory. The parish lives with an average weekly congregation of 1.000 people for mass and the many paintings exhibited and their art-loving „friends“, who for the past twenty years have come seeking their own form of solace.
Francis Bacon’s Triptych ’71, Anish Kaoor’s first mirror, Jenny Holzer’s War Installation, or Rosemarie Trockel’s Ich Habe Angst ,as a triptych above the High Altar, James Lee Bryar’s White Mass, Jannis Kounellis’ oil drum cross and Barbara Kruger’s solemn words under the feet of the congregation, contra the war in Iraq. Christian Boltanski’s dancers in the windows and a lot of hay in the gallery. Gaston Chaissac’s sad clowns, Cindy Sherman’s History Portraits, Antonio Saura’s thieves, Francesco Clemente’s church ground plans and last but not least Chilida’s altar – initially banned but then later graciously tolerated. A lot of artists have been continuously shown during the last number of years.
The church developed into a space for art , an „art station“. A test place for the transfer of the locaion’s spiritual connotations into works of art. Whereby it always maintained its original status: that of a refuge of faith and contemplation.
What more did it bring? Spiritual connotations. Only so much, and then not so much. In any case, nothing more.
For what art had understood was often reviled by by pious scepticism. What the latter dreamed of doing the former didn’t want to realize. Here the history of being constantly disappointed by the church kicks in. As ever, it hangs on to its old proviso: the depiction of Saints in its commissioned works. The Icon as window of heaven, as cross of the gaze..., or whatever the image requirements in the name of Faith are called. As if the separation between Rome and Byzantium had never taken place and the Christian western world had never proved itself to be a place of ecclesia semper reformanda. False compromises on the part of the church tried to stop the development. Christian Art was their cry for an anti-modernistic compromise, but at a high price. „Art“ without art. It wanted decoration packaged in a misleading didactic and this in a religion that unfortunately appeared to flee from mysticism and the vacuum, as others do Holy Water. No! The Church today still hasn’t found its position in art and to painting. No amount of exhibitions can change this. Even with the support of the Archbishop of Cologne, who with impressive courage filled his old Diocese Museum with new art and founded Kolumba 2007, a ground-breaking institute that brings together the old and the new in art, in its own special way.
Special Connotations: these are, above all questions, that as questions touch on the intuition of an answer, but as candid, multi-faceted alternatives to the question. This position stems from the innate insecurity of the image and its distance to the spoken word. Art shuns unequivocal formulas, prefers to speak of expression and intensity. It loves association, allusion, evocation. Here, all those drawn into its orbit are put to the test. Liberated from its status as message-bearer its spiritual meaning does not lie impartially in its work but at the most, in subjective discourse. And here are the chances. Not only for the art lover.
Spiritual Connotations: to facilitate perception and broaden understanding. Art doesn’t work with reason - but then again doesn’t avoid it. Greater than all discourse is its brilliance of form, sensuality of appearance and wealth of perspectives. They reach much further and imprint more than any word –fixation. Thus, art is inexhaustible and worth every sacrifice. It is like the “…sea without a shore…“ to quote the Andalusian natural mystic Ibn al’Arabi (1165-1240) „...and the questioning gaze has no beginning, no end, neither in this nor in the next world…“